Interview: Nummer gegen Kummer

Interview Nummer gegen Kummer mit Tipps gegen Perfektionsdruck bei Social Media für Jugendliche

Zum Safer Internet Day 2022 starten wir mit der Nummer gegen Kummer eine gemeinsame Kampagne rund um das Thema Influencer:innen, Schönheitsideale und Perfektionsdruck bei Social Media. Wir haben Luise, eine junge Beraterin der Nummer gegen Kummer, nach ihrer Meinung zur „perfekten“ Social-Media-Welt gefragt und sie um Tipps gebeten.

Interview mit Luise von der Nummer gegen Kummer

Stell Dich doch mal kurz vor!

Hallöchen! Ich bin Luise und 19 Jahre alt. Zurzeit besuche ich die 13te Klasse einer IGS in Niedersachsen und bin mitten in (eher noch vor) den Abiturvorbereitungen. Ich bin seit ca. einem Jahr bei der Nummer gegen Kummer im Projekt „Jugendlich beraten Jugendliche“ aktiv und mache eine Schulung zur Telefonberaterin. Gemeinsam mit anderen jungen Leuten zwischen 16 und 23 Jahren lerne ich hierbei viel über Beratung an sich, aber auch über Probleme, die in der Jugend auftauchen können.

Bei Instagram, TikTok & Co. werden wir mit dem scheinbar perfekten Leben von Influencer:innen konfrontiert. Warum kann das schlecht für uns sein?

Na, weil Social Media einfach nicht die Realität widerspiegelt! Gerade zu Beginn der Pubertät kann das zu total verschobenen Lebensansichten führen. Junge Menschen können noch nicht so gut reflektieren und hinterfragen, konsumieren diese scheinbar „perfekte“ Social-Media-Welt aber täglich für mehrere Stunden! Das beeinflusst die Selbstwahrnehmung und ungesunde Denkstrukturen verbreiten sich: Dünn sein, teure Klamotten, super gesundes Essen etc. Ich finde, dieser Wettbewerb unter jungen Leuten, der über beliebt und unbeliebt entscheidet, ist eiskalt. Wirkliche Werte, wie z.B. Menschlichkeit, Freundlichkeit und die Diversität der Lebensentwicklung, werden bei Social Media durch Oberflächlichkeit und Selbstdarstellung ersetzt.

Merkt Ihr bei Euch in der Beratung, dass Jugendliche dieses Thema beschäftigt?

Ehrlich gesagt, habe ich persönlich noch keine großen Erfahrungen in diesem Bereich gemacht. Jedenfalls nicht über das Kinder- und Jugendtelefon. Wobei doch, ich hatte einmal ein Gespräch mit einem*r jungen Ratsuchenden, der*die sich selbst nicht akzeptiert, fast schon gehasst, hat. Das war für mich als Beraterin gar nicht so einfach, weil ich die Vorstellung so schlimm fand. Die Person meinte, er*sie traue sich gar nicht mehr raus und mache auch nichts mit anderen Kindern. Er*Sie fände sich generell zu dick und zu hässlich. Ich habe es während des Gesprächs nicht genau feststellen können, aber ich denke schon, dass Social Media ein Auslöser dafür hätte sein können.

Hast Du ein paar gute Vorschläge, wie man sich von dem Perfektions- und Anpassungsdruck bei Social Media abgrenzen kann?

Ich finde es wichtig, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und selbst zu reflektieren. Jeder Mensch kann, meiner Meinung nach, ein glückliches und selbstbestimmtes Leben führen. Dafür muss man aber verstehen, was dieser gesellschaftliche Druck mit uns macht. Warum wollen wir überhaupt so sein wie alle anderen? Erst dann kann man anfangen, nach seinen eigenen Werten zu leben, Selbstbewusstsein entwickeln und hoffentlich irgendwann andere damit anstecken. Es ist doch so viel schöner, wenn alle anders sind!

Gibt es, Deiner Meinung nach, einen Zusammenhang zwischen Schönheitsidealen & Anpassungsdruck bei Social Media und Problemen wie Cybermobbing, Essstörungen etc.?

Ja, auf jeden Fall! Schönheitsideale waren zwar immer schon da, aber sie werden durch Social Media verschärft. Wenn wir uns mit „perfekten“ Instagrammer:innen und TikToker:innen vergleichen, finden wir uns selbst natürlich immer „uncooler“. Alle versuchen, so zu sein, wie die Stars. Wer nicht in die Norm passt, ist „out“. Das kann schnell zu Mobbing, Essstörungen etc. führen. Viele junge Leute wollen alles dafür tun, um möglichst beliebt, hübsch und cooler als alle anderen zu sein. Dafür wird auch mal Neid und Missgunst durch Hass und Mobbing im Netz ausgedrückt. Ich denke, diese Oberflächlichkeit und der „menschliche Wettbewerb“ werden ganz stark von sozialen Medien vorgelebt.

Was ist, wenn mein Selbstwert schon im Keller ist? Was hilft, um wieder eine positive Beziehung zu mir und meinem Körper aufzubauen?

Wenn ich erkenne, dass ich unselbstbewusst, ängstlich und unzufrieden mit mir selbst bin, ist das schon der erste Schritt. Denn dann kann man erst etwas dagegen machen! Mir hilft es total, mir zu sagen, dass jeder Mensch seine Probleme und Unsicherheiten hat. Jede:r bewertet sich selbst strenger als die anderen. Wir sollten einfach mal versuchen, uns von diesen Erwartungen frei zu machen. Es gibt wirklich viel wichtigere Themen. Aber vor allem braucht man Geduld: Mit der Zeit werden auch aus Jugendlichen junge Erwachsene und wir alle begegnen Menschen, die uns ein gutes Gefühl geben. Bleib bei ihnen und zwing Dich zu nichts! Du hast Dein Leben in der Hand, wie möchtest Du Dich daran erinnern?

Vielen lieben Dank, Luise, für das Interview! 🙂

Hilfe zu diesem Thema

Gemeinsam mit der Nummer gegen Kummer haben verschiedene Tipps für Jugendliche zusammengestellt, wie man sich vom Perfektionsdruck bei Social Media und dem Vergleich mit Influencer*innen abgrenzen kann. Einen Überblick gibt’s in dieser Infografik.

Du möchtest mit den Berater:innen der Nummer gegen Kummer über Deine Sorgen und Probleme sprechen? Das Kinder- und Jugendtelefon (Tel. 116 111) erreichst Du montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr. Jeden Samstag beraten hier auch Jugendliche andere Jugendliche. Lieber Schreiben als Reden? Dann wende Dich an die Online-Beratung der Nummer gegen Kummer – per Mail oder Chat.

Auf unserer neuen Hilfeseite Influencer & Selbstdarstellung findest Du noch mehr Tipps und Infos zum diesem Thema. Dort stellen wir Dir auch weitere passende Beratungsstellen vor. Schau mal vorbei!